Noch bis zum 19. März 2017 zeigt das Museum für Stadtgeschichte Dessau erstmals kürzlich restaurierte Objekte aus der Eisenkunstguss-Sammlung Ewald Barths.
Der Dessauer Zahnarzt Ewald Barth (1898–1968) sammelte in den 1920er Jahren Medaillen, Neujahrsplaketten, Alltagsgegenstände, aber auch filigranen Schmuck sowie Büsten und Statuetten nach Entwürfen bedeutender Künstler wie Christian Daniel Rauch (1777–1857) und Karl Friedrich Schinkel (1781–1841), die allesamt aus Eisen gegossen waren.
Büste: Friedrich Wilhelm III. von Preußen (1770–1840); Christian Daniel Rauch (1777–1857) | Königliche Eisengießerei Berlin, 1816; Eisenguss | Eisenkunstguss-Sammlung Ewald Barth, Museum für Stadtgeschichte Dessau | Friedrich Wilhelm III. hatte 1797 die Regierung übernommen. Vier Jahre zuvor vermählte er sich mit Luise von Mecklenburg-Strelitz, mit der er eine glückliche Ehe führte. Nach ihrem Tod (1810) schuf der Bildhauer Chr. D. Rauch eine Büste des trauernden Königs. »… Die Züge seines Gesichtes sind durch das Unglück so bestimmt ausmodelliert worden ohne dürftig zu sein, daß ich verwundert bin über die Schönheit seines Kopfes …« [Rauch in einem Brief an Caroline von Humboldt]. In der Akademie-Ausstellung Berlin 1816 findet aus der Berliner Königlichen Eisengießerei eine weitere Büste des Königs Erwähnung.
Kratervase; Königlich-Preußische Gießerei Gleiwitz [auch Sayn]; 1. Drittel 19. Jh.; Eisenguss, mehrteilig; Teile durch Stifte verbunden; Sockel und Fuß mit dem Vasenkörper verschraubt | Eisenkunstguss-Sammlung Ewald Barth, Museum für Stadtgeschichte Dessau | Vorbilder für die Vielfalt an Vasen, die in den Königlich-Preußischen Gießereien gegossen wurden, waren bis ca. 1840 klassische, antike Vasen. Die Ausschmückung dieser Vase entstand in Anlehnung an den sogenannten »Medici-Krater«, einer griechischen Marmorvase: ein Fries aus Weinlaub und Trauben sowie Eierstab im oberen Bereich, kräftig ausgebildete Akanthusblätter im unteren. Auch die jeweils mit zwei Satyrköpfen (kleinen Dämonen) versehenen Henkel sind ähnlich. Allerdings ist die Außenwandung hier unverziert.
Reiterstatuette des Kronprinzen, ab 1840 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795–1861); Erdmann Theodor Kalide (1801–1863) | Königlich Preußische Gießerei Gleiwitz oder Berlin; 1830 | Eisenguss, zahlreiche Teile; Zügel: Eisenblechstreifen | Eisenkunstguss-Sammlung Ewald Barth, Museum für Stadtgeschichte Dessau | Die Last des gesamten Pferdekörpers mit dem Gewicht des Reiters dazu scheint in der dynamischen Bewegung zu schweben. Tatsächlich aber fangen nur die zwei weit hinten liegenden Hufen mit den noch dünneren Fußfesseln das gesamte Gewicht und die Hebelkräfte der viel weiter vorne lastenden Figur auf kleinster Trittfläche ab. Eine extreme statische Herausforderung für das besonders fein geformte Material und eine hohe künstlerische Leistung.
Büste der Königin Luise von Preußen (1776-1810); Wilhelm August Stilarsky (1780–1838) nach Christian Daniel Rauch (1777–1857) | Königlich-Preußische Gießereien; 1818; Eisenguss | Eisenkunstguss-Sammlung Ewald Barth, Museum für Stadtgeschichte Dessau | Rauch war seit 1797 als Kammerlakai bei Königin Luise von Preußen tätig. 1804 wurde er freigestellt, um sich seinen künstlerischen Arbeiten zu widmen. Zwischen 1804 und 1816 schuf er von Königin Luise mehrere Marmorbüsten. Während 1810 eine Büste mit Sterndiadem und Schleier entstand, ist Königin Luise in der Ausführung von 1816 mit Palmettendiadem dargestellt. Diese Marmorbüsten wurden später in Bronze und Eisen nachgegossen.
Die umfangreiche Sammlung umfasste rund 1.800 Objekte und galt sowohl quantitativ als auch qualitativ als die herausragendste Privatsammlung von Eisenkunstguss in Deutschland. Medaillen, Plaketten und Spielmarken gehörten ebenso zur Sammlung wie Schmuck, Büsten und Skulpturen. Unter den anhaltischen Objekten befinden sich z. B. auch Erzeugnisse aus der Eisengießerei Mägdesprung. Es finden sich zum Beispiel Plaketten mit Ansichten von Mägdesprung, Alexisbad und Victors-Höhe sowie Medaillons mit Porträts des anhaltischen Herzogpaares Friederike und Leopold IV. Friedrich von Anhalt.
1944 wurde die Sammlung aus der Rüstungs- und Industriestadt Dessau in das massiv gebaute Schloss der Stadt Zerbst ausgelagert. Dort schien sie vor einer drohenden Zerstörung sicher. Als die amerikanischen Truppen kurz vor Kriegsende vor den Toren der Stadt Zerbst standen, verweigerten die nationalsozialistischen Kommandanten die Übergabe der Stadt. Die folgenden Bombenangriffe zerstörten die Stadt Zerbst und das Schloss fast vollständig.
Erst drei Jahre nach Kriegsende konnte Ewald Barth Großteile der Objekte bei einer abenteuerlichen Bergung aus Bombenschutt und Trümmern retten.
Statuette: Friedrich Wilhelm Graf von Reden (1752–1815); Carl Julius Wilhelm Meine (geb. 1859–?) nach Theodor Kalide (1801–1863) | Königlich-Preußische Gießerei Gleiwitz; um 1885; Eisenguss, mehrteilig | Eisenkunstguss-Sammlung Ewald Barth, Museum für Stadtgeschichte Dessau | Vorbild für die Ausführung in Eisen war ein Denkmal, das nach dem Jubiläum zum 100. Geburtstag des preußischen Oberberghauptmanns und Ministers Graf von Reden 1853 bei Königshütte aufgestellt wurde. Dieser hatte das Bergbau- und Hüttenwesen umfassend modernisiert und umstrukturiert. Die Einführung von Kokshochöfen in Deutschland, der Ausbau der Infrastruktur (Bau des Klodnitzkanals), moderne Abbauverfahren, effizientere Verwaltung und verfeinerte Techniken führten zu einer erheblichen Produktions- und Qualitätssteigerung. | Von Reden ist Begründer der Eisengießereien in Gleiwitz (1796) und Berlin (1804) und förderte den Eisenkunstguss.
Standuhr; Königlich-Preußische Gießerei Berlin?; um 1820–30; Uhrgehäuse: Eisenguss, mehrteilig, Türchen auf der Rückseite fehlt; Uhrwerk: Messing, emailliertes Ziffernblatt [Original-Uhrwerk nicht mehr vorhanden] | Eisenkunstguss-Sammlung Ewald Barth, Museum für Stadtgeschichte Dessau | Das aufwendig gearbeitete Uhrgestell besteht aus über 30 Teilen. Es ist in Form eines gotisierenden Glockenturmes mit Maßwerk und Fialen gestaltet. Im unteren Bereich der Säulen Verzierungen mit Ritterdarstellungen.
Viktoria-Statuette; Königlich-Preußische Gießerei, Gleiwitz; um 1820–30; Eisenguss, mehrteilig | Eisenkunstguss-Sammlung Ewald Barth, Museum für Stadtgeschichte Dessau | 1817–19 ließ König Friedrich Wilhelm als Geschenk für den Sieger von Waterloo, den englischen General Wellington, ein Tafelservice in der Königlichen Porzellanmanufaktur anfertigen. Die dort verwendete Figur der Siegesgöttin gilt als das Vorbild für die aus Eisen gefertigte Viktoria-Statuette. Der Entwurf dieser Figur sowie der antiken Brautszene auf dem Sockel wird dem Bildhauer Johann Gottfried Schadow zugeschrieben. Am Kopf der Eisenfigur war ursprünglich ein vierarmiger Kerzenaufsatz montiert.
Denkmal des Generals Gerhard Johann David von Scharnhorst (1756–1813); Wilhelm August Stilarsky (1780–1838) nach Marmordenkmal von Christian Daniel Rauch (1777–1857) | Königlich-Preußische Gießereien Berlin und Gleiwitz; Denkmalausführung: 1816–22; um 1826; Eisenguss, mehrteilig | Das Standbild in Originalgröße befand sich als Pendant zu den Generälen von Bülow und von Blücher vor der Neuen Wache in Berlin (heute vor dem Opernplatz). Die verkleinerte Eisenausführung verzichtet auf die antikisierende Ausgestaltung des Sockels, der stattdessen lediglich mit dem preußischen Adler versehen ist. Scharnhorst war maßgeblich beteiligt an der Umsetzung preußischer Heeresreformen, u. a. führte er Qualifikationsvoraussetzungen für den Offiziersstand ein, beseitigte das Werbesystem, wandelte das Söldnerheer in ein stehendes Heer. Das Standbild zeigt ihn mit weitem, über die Schulter geworfenen Mantel in der Haltung eines nachdenklichen Gelehrten.
Nach dem Tod von Ewald Barth übergab die Erbengemeinschaft die nun ca. 1.000 Exponate umfassende Sammlung zunächst als Dauerleihgabe an das Märkische Museum Berlin (Ost). Später wurde sie an einen Privatsammler in Westberlin verkauft, der sie dem Museum für Technik und Verkehr anvertraute. Dort war sie 1988 erstmals für die Öffentlichkeit ausgestellt. Im Jahr 2005 wurde die Sammlung der Stadt Dessau zum Kauf angeboten. Mit Unterstützung der Stadt Dessau-Roßlau und Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt, der Kulturstiftung der Länder und mit Hilfe der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Land Sachsen-Anhalt gemeinsam mit der Stadtsparkasse Dessau wurde die Sammlung im Oktober 2007 schließlich für das Museum für Stadtgeschichte Dessau erworben.
68 Jahre nach ihrer Rettung sind zentrale, vom Zahn der Zeit angegriffene Objekte nun aufwendig materialgerecht restauriert und wiederhergestellt worden. In akribischer Feinarbeit konnten zahlreiche, auch verborgene, Schäden beseitigt werden.
Das Museum für Stadtgeschichte Dessau freut sich, ausgewählte Exponate nun wieder in ihrer ursprünglichen Ausstrahlung und Anmutung präsentieren zu können.
Die Restaurierung konnte Dank der Hilfe der Kulturstiftung der Länder im Rahmen der Initiative Kunst auf Lager sowie des Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder im Rahmen der Initiative Kunst auf Lager finanziert werden.
Plakatmotiv zur Sonderausstellung »Aus Bombenglut geborgen. – Schätze aus der Eisenkunstguss-Sammlung Ewald Barth – 68 Jahre nach ihrer Rettung restauriert und wiederhergestellt.«, Sonderausstellung des Museums für Stadtgeschichte Dessau im Johannbau 31. August 2016 bis 19. März 2017
Die Werbegrafik zum Ausstellungsprojekt wurde von VIERZIG A gestaltet und realisiert. Es erschienen u. a. Folder sowie verschiedene Plakate. Die Objekttexte der Sonderausstellung wurden lesefreundlich in einem kleinen, hochformatigen Heft zusammengefasst. Besucher nehmen die kleine Publikation mit auf ihren Ausstellungsrundgang. Anschließend kann jeder gegen eine symbolische Summe das Heftchen auch käuflich erwerben. So wandelt sich die kleine Publikation ganz nebenbei von einem simplen Darstellungsmedium der sogenannten C-Texte hin zu einem Minikatalog.
Infos zur Ausstellung
Aus Bombenglut geborgen. — Schätze aus der Eisenkunstguss-Sammlung Ewald Barth — 68 Jahre nach ihrer Rettung restauriert und wiederhergestellt.
Sonderausstellung
des Museums für Stadtgeschichte Dessau im Johannbau
31. August 2016 bis 19. März 2017
Besucheradresse
Museum für Stadtgeschichte Dessau im Johannbau
Schloßplatz 3 a, 06844 Dessau-Roßlau
Tel.: (03 40) 220 96 12 (Johannbau)
Tel.: (03 40) 800 37 90 (Verwaltung)
museum@stadtgeschichte.dessau.de
Öffnungszeiten
Mi–So: 10–17 Uhr sowie an Feiertagen.
ACHTUNG: Das Museum ist im Dezember 2016 geschlossen.
ÖPNV
Buslinie 20 und Buslinie 12 bis Haltestelle Rathaus, von dort ca. 2 Gehminuten bis zum Johannbau | Buslinie 13 (Richtung Waldersee) und Buslinie 15 (Richtung Sollnitz) bis Haltestelle St. Georg | Straßenbahnlinien 1, 3 und 4 bis Haltestelle Museumskreuzung, von dort ca. 5 Gehminuten bis zum Johannbau
Parkplätze
u. a. in der Schloßstraße (vor der Marienkirche), der Ludwigshafener Straße (am Ufer der Mulde); 2 Bus-Stellplätze in der Schloßstraße
Anfahrtsskizze: Museum für Stadtgeschichte Dessau im Johannbau, Schloßplatz 3 a, 06844 Dessau-Roßlau (Stand: November 2016)
Merken
Merken
Merken